Hardow-Karte des Landkreises Stolp 1932

Rudolf Hardow war nicht nur ein leidenschaftlicher Zeichner, sondern auch ein Lehrer mit ausgeprägtem pädagogischem Impetus. So hatte er Anfang der 30er Jahre den glänzenden Einfall, „neue heimatkundliche Landkarten"(15), wie er es nannte, des Land- und Stadtkreises Stolp sowie des Regierungsbezirks Köslin zu zeichnen. Alle drei Karten hingen unter Glas im Heimatmuseum. Eine vierte Karte der ganzen Provinz Pommern war geplant, ist aber nicht zur Ausführung gelangt. Auf Hardows Anregung hin, wollte das Museum „Abdrucke" der Karte vom Landkreis Stolp in der Größe 40 x 50 cm anfertigen lassen und sie „für ein geringes Entgelt" an alle Schüler in Stolp Stadt und Land abgeben. Ob es dazu gekommen ist, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. „Für die Hand des Lehrers bestimmt", schrieb Hardow ein Begleitheft mit ausführlichen Erläuterungen(16). In der lokalen Presse(17) fand sich mit einer Abbildung der Karte ein längerer Text. Darin heißt es u.a.: „Mit dieser schönen Karte hat Rudolf Hardow einen ganz neuen Typus geschaffen. Noch niemals sah man das Stolper Land so lustig und belehrend".

 

Weit über hundert farbige kleine Bilder hat Hardow an den Stellen gezeichnet, wo er Bemerkenswertes zu Vor- und Frühgeschichte, zu Kulturgeschichte, zu Volkskunde, Naturkunde, zu Verkehr und Sport und zu „Erwerbsquellen" anzeigen wollte. Genau wie es seine Art war, werden sogar die Höhenunterschiede, obwohl in Hinterpommern nicht gerade imposant, in verschiedenen Farbtönungen angegeben.

 

Zur Vor-und Frühgeschichte zeichnete er 22 Burgwälle, bei Wollin zwei Hügelgräber, bei Altdamerow einen bronzezeitlichen Schatzfund. An vielen Stellen machte Hardow an kulturgeschichtlich Bedeutsames aufmerksam. Im Streifzug durch die Jahrhunderte finden sich u.a. sämtliche dreißig alte Kirchdörfer eingezeichnet, ein Maler an der Staffelei bei Rowe, eigenartige Grabkreuze, sog. Kaschubenkreuze, bei Hebrondamnitz und Gansen, ein Orgelprospekt bei Dünnow in Erinnerung an die Orgelbauerfamilie Völkner sowie eine Frau am Spinnrad zwischen Groß Dübsow und Lupow als Symbol für Flachsbau und Schafzucht.

 

Zur Volkskunde bringt Hardow die verschiedenen niedersächsischen Hausformen, darunter Bildchen der in jenen Jahren sonst schon fast verschwundenen Rauchhäuser wie in Mützenow und Krampe, alte Hoftore mit Inschriften, charakteristische Brunnenformen, den Hochzeitsbitter mit bunten Blumen und Bändern, den Schimmelreiter, der mit anderen symbolträchtigen Gestalten zwischen Neujahr und den Dreikönigstagen in den Dörfern sein Wesen trieb und eine Kaschubin bei Selesen.

 

Zum Thema Naturkunde hat Hardow einen schwarzen Storch an der Grenze zum Kreis Rummelsburg aufgestellt, denn nur hier im Landkreis Stolp war der scheue Waldvogel, wenn auch schon selten, noch zu beobachten. Mit der alten Landstraße über Stolp nach Danzig, auf der ein Wanderbursche seines Weges zieht, ein Planwagen rollt und ein Reiter hoch zu Ross unterwegs ist, wird an den Verkehr in alter Zeit erinnert, mit der unter Dampf fahrenden Eisenbahn in Spielzeugformat an die moderne Zeit. Segler auf dem Garder See, Schwimmer im Meer und Schlittschuhläufer im kalten Winter - hinterpommersche Kinder werden über diese Sportmöglichkeiten, die Hardow hier ins Bild gebracht hat, gut Bescheid gewusst haben.

 

Auf die „Erwerbsquellen" weist ein Bildchen der Papierfabrik in Rathsdamnitz und der mächtige Eisenhammer in Scharsow hin. Die Fischerei findet sich veranschaulicht durch einen auslaufenden Fischkutter bei Stolpmünde, die Fischerhütten der Strandfischer in den Dünen und ein heimkehrendes Fischerpaar mit ihrem Fang. Landwirtschaft ist personifiziert u.a. in der Gestalt eines pflügenden Bauern bei Starkow sowie in einem Kühegespann bei Virchenzin.

 

Es lässt sich denken, dass mit einer solchen bunten, wirklich lustigen Bilderkarte, auf der herumzuspazieren auch jedem Erwachsenen großes Vergnügen macht, der Heimatkundeunterricht den Schulkindern Spaß gemacht und dem Lehrer der Unterricht leichtgefallen sein muss.

 

Mit gleicher Sorgfalt wie die Karte vom Landkreis Stolp hat Hardow die Karten vom Stadtkreis Stolp und vom Regierungsbezirk Köslin(18) ausgeführt. Die Stolper Karte weist 116 Bilder auf. In der Stadt hat neben Blücherhusaren, Bernsteinverarbeitung, Möbelfabrikation selbstverständlich das „Stolper Jungchen" seinen Platz. Großen Wert legte Hardow bei dieser Karte auf die Wiedergabe alter und neuer Flurnamen, Felder, Wiesen, Seen, Bäche usw. weil, wie er schreibt, sie „oft die einzige Geschichtsquelle für die Ansiedlung in alter Zeit und von Standorten verschwundener Bauwerke" seien. Er hoffte, dass auch die Karte vom Stadtkreis Stolp im heimatkundlichen Unterricht der Stolper Stadtschulen Verwendung finden würde.

 

In der Karte vom Regierungsbezirk Köslin mit über 130 Bildchen hat Hardow auf nähere geographische Angaben verzichtet, auch keine Dörfer eingezeichnet. Der damaligen Kreiseinteilung entsprechend, sind 12 Kreise markiert und sämtliche 23 Städte mit der Silhouette des Stadtbildes und ihrem Wappen wiedergegeben. Zu jeder Stadt und ihrem Kreis wird das heimatkundlich Besondere und Eigentümliche dargestellt, z.B. im Kreis Stolp der „Stolper Bernsteinbär" und Kaschubentrachten von 1820, 1870 und 1920. Die Ostsee ist belebt von den acht „Formen der Segelschiffe und -boote von 800 bis zur Gegenwart".

 

Alle drei Karten sind, wie nicht übersehen werden darf, kleine Kunstwerke, zugleich zeigen sie Hardows erstaunlich umfangreiches heimatkundliches Wissen. Die Karte vom Landkreis Stolp und die Karte vom Regierungsbezirk Köslin befinden sich heute im Mittelpommerschen Museum in Stolp/Slupsk. Der Verbleib der Karte vom Stadtkreis Stolp ist ungeklärt.

 

Fußnoten:
(15) Rudolf Hardow, Neue heimatkundliche Karten, „Pommersche Heimatpflege“ 2/1933, S. 64–67.
(16) Rudolf Hardow, Erläuterungen zu der heimatkundlichen Bilderkarte des Landkreises Stolp, Stolp 1935
(17) „Zeitung für Ostpommern“ 7. Mai 1932
(18) Ausführliche Angaben zu diesen Karten s. Rudolf Hardow, Neue heimatkundliche Karten, „Pommersche Heimatpflege“ 2/1933, S. 64–67

 

Auszug aus: Isabel Sellheim, in: Rudolf Hardow. Slupsk i Pomorze w rysunku i grafice. Stolp und Pommern in Zeichnung und Graphik, Hrsg. Muzeum Pomorza Środkowego w Słupsku, Słupsk 2008 (ISBN 83-89329-47-6), S. 13–15

Hardow-Karten in größerer Auflösung

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