Abschrift eines Briefes aus dem Jahr 1545 im Stadtarchiv Stralsund aufgetaucht

von Klaus-Peter Kohlhas (Kommentare: 0)

Durch eine Anfrage der Heidelberger Akademie der Wissenschaften beim Stadtarchiv Stralsund ist eine Abschrift eines Briefes an Herzog Barnim aus dem Jahre 1545 in einer Kirchenakte gefunden worden. Diese Handschrift war im Jahr 1937 in transkribierter Form bereits einmal veröffentlicht und nach Ende des 2. Weltkrieges als verloren angesehen worden. Der Brief ist unterschrieben von Martin Luther, Philipp Melanchthon, Johannes Bugenhagen, Caspar Cruciger, Georg Maior und Justus Jonas.

 

Inhaltlich ist er ein Versuch, Herzog Barnim in seiner Entscheidung umzustimmen, die beiden Klöster mit ihren Einnahmen dem herzoglichen Besitz zuzuteilen. Vorangegangen war eine Visitation durch Johannes Bugenhagen im Jahr 1535, als deren Ergebnis festgelegt wurde, dass alle kirchlichen Besitzungen der Stadt Stolp zugesprochen werden sollten. Der Rat der Stadt wollte die Einkünfte für die Bezahlung der Pastoren und für Zuwendungen an die Armen der Stadt nutzen. Barnim ließ die beiden Klöster jedoch besetzen und setzte herzogliche Verwalter ein. Mit einer Bitte um Hilfe der Stadt Stolp an Kaiser Karl V. erreichte sie zunächst einen Freibrief und ein kaiserliches Strafmandat gegen Herzog Barnim. Dieser jedoch dachte nicht daran, das Urteil zu akzeptieren, zog persönlich nach Stolp und nahm den Rat der Stadt in Gefangenschaft. Auch eine spätere Klage beim Reichskammergericht brachte keine Wende. Jahre später erst kehrten die gefangen genommenen Ratsherren zurück nach Stolp.

 

Die Abschrift des wichtigen Briefes ist bislang die einzige handschriftliche Quelle zu den Vorgängen in Stolp so kurz nach der Reformation und daher besonders wertvoll.

 

Weitere Einzelheiten zu dem bedeutenden Fund:

 

Text des Briefes (abgedruckt in Ostsee-Zeitung vom 15.12.2011):

Gottis gnad durch seinen eingebornen Son Jesum Christum, unsern Heilandt, zuvor!

Durchleuchtiger, hochgeborner Fürst, gnediger Herr!

E. f. g. bitten wir undertheniglich, diese unsre vorbitt und christliche erinnerung gnediglich anzunehmen, darzu wir aus mittleiden E. s. g. underthanen von Stolpen Peter Schwaben und Simon Wolder bewogen sindt, welche uns von irem elendt bericht gethan und angesucht, das wir ein vorbitt bei E. f. g. thun wollten.

Wie wol wir uns nu in dieser Sach nit zu Richter machen können noch wollen, so sihet uns dennoch die sach also an, das E. f. g. nicht gnugsam von diesen hendlen bericht gewesen und sie derhalben zu geswind und zu hardt gehandelt. Nu seindt E. f. g. selb, auch Ihre löbliche voreltern, allzeit also gepreiset, das sie untugent, unrecht und Thyrannei hassen und zu gerechtigkeit und guttigkeit geneigt, wie wir von E. f. g. person ganz keinen Zweifel haben, und sollen Christliche Regenten in betrachtung des göttlichen gerichts nicht unbilliche hartigkeit und gesuchte und unnotige Schärff üben, wies Esaias spricht: weh denen, so das Recht vorkeren.

Darumb bitten wir in underthenigkeit, E. f. g. wollen die gefaste ungnad wider die bemelten Peter und Simon von Stolpen gnediglich und gott zu ehren von Inen abwenden und sie widerumb zu dem Ihren sicher kommen und bei gleichen Rechten bleiben lassen und sich also dieser Sachen besser und grundtlicher berichten lassen nit allein dieser personen, sondern auch von wegen der kirchen zum Stolpen, denn so dieses nit geschutt, nach dem nu E. f. g. erinnert, ist gottliche Straff zu besorgen, und würde diese unbilliche Hertigkeit E. f. g. löblichen nhamen ein nachtheill bringen, daran wir ein hertzlich mitleiden haben würden, und würde vieler Christen gebet für E. f. g. vorhindern.

Endlich bitten wir umb gottis willen, auch von wegen der ärgernis, E. f. g. wollen sich gegen den gedachten von Stolpen gnediglich erzeigen und sie doch unser vorbitt genissen lassen, ob sie gleich auch in diese sachen etwas zu viell gethan. Den dweill wir vornemen, das sie die kirchen bestellinge trewlich gemeindt und noch derhalben die kirche und Christliche Schull zum Stolpen woll bestellet sei, were es dennoch seer ergerlich, das sie derhalben durch böse bericht in ungnaden und beschwerung bleiben sollten. Dieses ergernis wollen E. f. g. gott zu lob wegknemen, so wirdt gott E. f. g. auch gnad erzeigen und disse guttigkeit mit guttigkeit belohnen, und konnen wir und andere frölicher vor E. f. g. und andere löbliche fürsten, so gott zu lobe das heilige Evangelium in Ihren landen pflantzen lassen, teglich gott und unsern Heilandt Jesum Christum anrufen. Der wolle E. f. g. allzeit gnediglich regiren und bewaren.

Datum Wittenbergk am tage Visitationis und der frolichen Zusammenkunft Marie und Elisabet Anno 1545.

E. f. g. williger und undertheniger

Martinus Lutther D.    Johan Buggenhagen D.

Justus Jonas D.      Georgius Maior D.

Casparus Creutziger D.      Philippus Melanchton M.

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